Hans Guck in die Luft - früher und heute

Rasend schnell verbreiteten sich ab 2007 die Smartphones. Sie eroberten Arbeits- und Alltagswelt und gelangten in die Hände der Kleinsten. Die neuen Geräte brachten die Welt in die Hosentasche – sie sind effizient und machen Informationen auf Knopfdruck verfügbar. Gebannt, von der Umwelt entrückt hören, schauen, spielen Menschen an technischen Geräten und erleben Glücksgefühle – Unterhaltung ist garantiert. Aber wir alle haben ein Zeitproblem.

Bereits vom ersten Tag an erleben Kinder passiven Medienkontakt, wenn Eltern jeden Entwicklungsschritt mit der Handykamera dokumentieren. Schon bald zeigen Kleinkinder grosses Interesse an diesen blinkenden Geräten, die bewegte tönende Bilder produzieren. Mit Touchscreen steuern die Kleinsten Kinder-Apps aller Art und wie früher der Fernseher fungiert das Smartphone als Babysitter. Mit Eintritt in die Schule kommen Computer zum Einsatz, die Kommunikation mit der Schule läuft über E-mail. Der Anschluss an die Peergroup bedingt eine Spielkonsole, Chat-Accounts beschleunigen die Kommunikation im Freundeskreis – Kinder, Eltern, Lehrkräfte – alle ringen um Zeitressourcen, um eine vernünftige Mediennutzung.

Die Meinungen darüber, wann die Nutzung der digitalen Medien problematisch wird, sind unter Pädagog:innen geteilt. Für Manfred Spitzer schaden digitale Medien dem Gedächtnis, nehmen uns die geistige Arbeit ab und sind zur Förderung des Lernens grundsätzlich ungeeignet. Mangelnde Vernetzung des Gehirns bewirke «vermindertes Denkvermögen, Aufmerksamkeitsstörungen und zunehmende Depressivität.» Erwiesen ist, dass das Gehirn von Kleinkindern mit raschen digitalen Bildfolgen und Impulsen überfordert ist; wenn digitale Geräte soziale Kontakte ersetzen, schadet dies der Bindungsfähigkeit. Wir wissen ebenso, dass die Konzentrationsfähigkeit von Multitasker:innen – Hausaufgaben erledigen im ständigen Wechsel mit anderen Aktivitäten auf dem immer eingeschalteten Handy – beeinträchtigt wird. Die Bedienung digitaler Geräte ist einfach, aber Verstehen und Bewertung der Inhalte kann überfordern.

Gesunde Nutzung braucht Regeln und Grenzen. Eltern dürfen die Kontrolle über die Mediennutzung ihrer Kinder nicht verlieren. Die Mediennutzung der Kinder zu Hause sollte kontingentiert, medienfreie Räume und Zeiten definiert werden. Der französische Psychoanalytiker Serge Tisseron hat mit seiner bekannten 3-6-9-12-Regel eine Orientierungshilfe für Eltern abgegeben: Kein Gerät vor 3 Jahren, bis 6 Jahre schauen Eltern gemeinsam mit dem Kind kindergerechte Beiträge und besprechen das Gesehene mit ihm. Ab 6 Jahren lernt das Kind die Geräte kreativ nutzen. Ab 12 Jahren sollten Jugendliche wissen, was jugendgefährdende Inhalte sind, über Fake News und Hassreden im Netz etc. informiert sein. Medienkompetente Kinder können sich im Netz orientieren und entwickeln einen Sinn für realistische Möglichkeiten. Der Medienkonsum darf nicht wichtiger werden als Familienleben und Freizeit Aktivitäten. Digital-Life-Balance könnte z.B. heissen, gemeinsam eine Wanderung zu machen und mit Pflanzen-Apps Blumen und Bäume zu bestimmen.

Kinderbuch und ChatGPT

Wir machen uns Gedanken über die Nutzung der Smartphones während bereits die nächsten virtuellen Technologien und Anwendungen ermöglicht werden – seit wenigen Monaten Chat-GPTs. Hinter dem Chat-GPT steckt ein Sprachmodell, das virtuos mit Texten umgeht, es mit Fakten wie Quellenangaben aber nicht so genau nimmt. Künstliche Intelligenz KI dieser Art ermöglicht aber neue Lern- und Fördermöglichkeiten: Forschende der Universität Bielefeld wollen den humanoiden Roboter „Nao“ zum Sprachtraining nutzen. Die menschenähnlichen Roboter werden in KITAS eingesetzt, um sprachliche Defizite von 4- bis 5- jährigen Kinder zu beheben. Man will herausfinden, wie die Mensch-Maschinen-Interaktion gestaltet werden kann.

Im Bilderbuch Mia, Finn und der kleine Roboter Ki erhält auch die achtjährige Mia einen kleinen Roboter, der rechnen, reden und schreiben, sogar Musik spielen kann. Mit seiner künstlichen Intelligenz soll er Aufgaben aller Art übernehmen. Mias bester Menschenfreund Finn fühlt sich verletzt, denn nun rollt der kleine Roboter überall mit. Er hilft Mia – ihre Mama ist auf Geschäftsreise – beim Aufgabenmachen oder beim Pizzabacken. Mit seiner eigenen Logik sorgt er aber konstant für Überraschungen und viel Ärger. Mia stellt fest, dass Ki nie ein so guter Freund sein wird wie Finn. Die Wissenschaft – das lernen Kinder in diesem Buch – ist weit davon entfernt, «lebensähnliche» Maschinen zu bauen. Es gibt keine künstliche «Intelligenz», sondern autonome technische Systeme ohne Bewusstsein über das eigene Tun. Zum Reichtum menschlicher Intelligenz gehören Reflexionsvermögen, Emotionalität, moralisch ethische Empfindungen, Bewertungen und entsprechendes Handeln. Emotionen aber sind nicht exakt quantifizierbare Daten, somit sind sie technischen Systemen nicht zugänglich.

Im Bilderbuch findet sich der Link zum Chatbot – ausprobieren ist angesagt. Die Neunjährige chattet mit der künstlichen Intelligenz. Sie möchte von ihr eine spannende Geschichte über eine Katze. Nach wenigen Sekunden rasen die Schriftzeichen los – voilà: Die Katze eines Mädchens geht verloren, irrt umher, alle suchen – happy End. Das ist nur bedingt spannend, vielleicht eher eine Geschichte über eine Prinzessin? Nach einigen Sekunden ist das Resultat da: Eine Prinzessin geht im Wald spazieren, verirrt sich, alle suchen – happy End. Kritisch betrachtet die 9-Jährige die Ergebnisse: immer dasselbe Muster, langweilig. Total fasziniert ist sie aber vom rasanten Tempo der Produktion. Die Fortsetzung dieses Experimentes wäre nun der Feinschliff an der Formulierung der Fragestellung – das aber braucht Zeit!